Die Stadt Assa , am südlichen Rand des Antiatlasgebirges in der Region Guelmim-Oued Noun gelegen, ist eine der ältesten und kulturell reichsten Siedlungen im Süden Marokkos. Ihre Geschichte ist tief in den Traditionen der Amazigh verwurzelt, der Ureinwohner Nordafrikas, die diese Wüsten- und Halbwüstengebiete seit Tausenden von Jahren bewohnen.
Historischer Überblick
Historisch gesehen war Assa ein wichtiger Karawanenstopp zwischen Nordmarokko, dem Draa-Tal und den Ländern südlich der Sahara. Die Stadt entwickelte sich als Teil eines Netzwerks von Ksour (Plural von Ksar – befestigte Lehmsiedlungen), die Handel, Religion und Kultur verbanden. Bereits im Mittelalter war Assa ein Ort des Austauschs: nicht nur von Gütern wie Salz, Gold und Datteln, sondern auch von Ideen, Sprachen und religiösen Bewegungen.
Die Region wurde stark von den Aït Oussa beeinflusst, einem großen Amazigh-Stamm, der zur Tekna-Konföderation gehört. Diese Stämme führten traditionell ein halbnomadisches Leben und pflegten ihre eigene Sprache, Tachelhit oder Tamazight , sowie eine reiche mündliche Kultur mit Poesie, Musik und Geschichtenerzählen.
Der Amazigh von Assa
Über Jahrhunderte hinweg bewahrten die Amazigh der Region ihre kulturelle Identität, trotz des Drucks verschiedener Mächte: von den Almoraviden über die Meriniden bis hin zur französischen Kolonialzeit. Stämme wie die Aït Oussa spielten auch eine politische Rolle, verteidigten ihre Gebiete und agierten zeitweise unabhängig von zentralen Behörden.
Nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 veränderte sich die Rolle der Amazigh in der Gesellschaft. Der Staat verfolgte jahrelang eine Arabisierungspolitik und marginalisierte viele kulturelle Ausdrucksformen der Amazigh. In den letzten Jahrzehnten erlebte die Amazigh-Identität jedoch eine Renaissance – Tamazight wurde als Amtssprache anerkannt, und selbst in Städten wie Assa gewannen kulturelle Initiativen an Bedeutung.
Religiöse und spirituelle Bedeutung
Eines der markantesten Wahrzeichen Assa ist die Zawiya , ein religiöses Zentrum, das dem Sufi-Heiligen Sidi Ahmed Ou Moussa gewidmet ist. Sie diente nicht nur als Ort spiritueller Lehre, sondern auch als Zentrum sozialer Gerechtigkeit und Bildung. Die Verbindung zwischen Islam und Amazigh-Kultur ist hier besonders deutlich – in der Architektur, den Festen und den mündlich überlieferten Legenden.
Ein persönlicher Moment des kulturellen Austauschs
Während der Marokko-Rallye mit den „Dudes of Dust“ hatten wir die Möglichkeit, in einem Gästehaus in Assa zu übernachten. Die Gastgeber hießen uns herzlich willkommen – und machten den Aufenthalt unvergesslich: Sie schrieben die Geschichte der Stadt direkt auf mein Trikot. Es war ein eindrucksvoller Moment, in dem Geschichte, Gastfreundschaft und interkulturelles Lernen auf eine sehr persönliche Weise zusammentrafen. Dieses Erlebnis zeigte, wie lebendig und offen die Menschen in Assa ihre kulturelle Identität teilen – mit Neugier, Stolz und einem tiefen Gemeinschaftsgefühl.
Assa ist mehr als eine kleine Wüstenstadt. Es ist ein lebendiges Zeugnis der Widerstandsfähigkeit und kulturellen Tiefe des Amazigh-Volkes im Süden Marokkos. In einer Zeit, in der viele junge Menschen ihre Wurzeln wiederentdecken, steht Assa als Symbol für das Zusammenspiel von Tradition und Moderne – ein Ort, an dem Geschichte nicht nur bewahrt, sondern aktiv gelebt wird.